11er Geschichtskurs auf den Spuren der NS-Justiz

Jeder von uns hat von den Verbrechen der NS-Zeit, vor allem auch im 2. Weltkrieg gehört. Keiner hat sich aber Gedanken darüber gemacht, nach welchem Recht Menschen mit dem Tode bestraft wurden, welche Rolle die Justiz dabei spielte. Gab es überhaupt Juristen, die für Recht und Gerechtigkeit kämpften?

In der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel haben wir an einem Projekttag am 16. Juni erfahren, wie die Justiz während des Nationalsozialismus gehandelt hat und nach welchem Recht sie „Verbrecher“ bestraft hat.

Die Gedenkstätte ist eine Einrichtung für die Opfer der nationalsozialistischen Justiz und befindet sich inmitten der heutigen Justizvollzugsanstalt. Ab 1938 wurde die ehemalige Schlosserei als Hinrichtungsstätte benutzt, dort wurden bis 1945 etwa 700 Menschen durch das Fallbeil oder durch Erhängen gerichtet. Zu den Opfern zählten deutsche Zivilisten, Strafgefangene, Wehrmachtsangehörige, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, aber auch belgische, niederländische und französische Widerstandskämpfer. Nach dem Krieg nutzte die britische Militärverwaltung die Stätte und vollstreckte dort Todesurteile.

Wir haben dort verschiedene Einzelschicksale hingerichteter Menschen kennen gelernt:

Walerjan Wrobel, etwas jünger als wir, war ein polnischer Junge, der 1941 verhaftet und zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt wurde. Er war geistig ein wenig zurück geblieben und dachte, dass er zur Strafe nach Polen zurück geschickt würde, wenn er etwas anstellt. So steckte er Heu in einer Scheune an. Es entstand kein wirklicher Schaden, und Walerjan half sogar beim Löschen. Trotzdem wurde er angezeigt.

Walerjan war 16. Man könnte denken, das für ihn das Jugendgerichtsgesetz gilt. Nein! Das galt nicht für Polen. Somit wurde er als „Volksschädling“ und „Brandstifter“ zum Tode verurteilt, obwohl er erst 16 Jahre alt war, geistig zurückgeblieben und kein Schwerverbrecher. Doch die Justiz fand dieses Urteil gerecht!

Erna Wazinsky, Braunschweigerin, mit 19 etwa so alt wie wir, war unangepasst und entsprach nicht dem Bild, das man sich von einem ordentlichen deutschen Mädel machte. Am 14./15. Oktober 1944 wurde sie bereits zum vierten Mal ausgebombt. Später suchte sie in den Trümmern nach Resten ihrer Habe und nahm Gegenstände an sich, von denen sie glaubte, dass sie ihrer Mutter gehören. Das stimmte aber nicht.

Erna wurde denunziert. Man hätte sie wegen Diebstahls anklagen können, aber sie wurde wegen „Plünderns“ und als „Volksschädling“ zum Tode verurteilt und am 23. November 1944 geköpft.

Wir haben nicht nur die Gedenkstätte besucht, wir waren außerdem auf dem Friedhof, auf dem viele der Hingerichteten beerdigt sind. In mehreren Abteilungen gibt es dort die Gräber von insgesamt 716 Kriegstoten beider Weltkriege und der NS-Gewaltherrschaft. Was uns daran so schockiert hat: Viele haben nicht einmal das 20. Lebensjahr erreicht.

An diesem Tag haben wir uns ein Bild davon machen können, wie unmoralisch und ungerecht mit Menschenleben umgegangen wurde – vor allem auch von Seiten der Justiz. Die meisten dieser schrecklichen Juristen wurden nach dem Krieg nicht zur Rechenschaft gezogen.